Was ist Boogaloo?

Ein Artikel von Michael Peters - Salsa DJ im Havanna / SODA Club Berlin / Atisha Hamburg

 

Micaela (von Sonora Caruselles) ist wohl der bekannteste Boogaloo der Neuzeit. Auch Jerry Galante hatte im Jahr 2003 einen sehr erfolgreichen Boogaloo-Hit mit Galante's Boogaloo und nicht zu vergessen Teenie-Star Frankie Negron, der mit Mi Mulata zur Zeit auf den Tanzflächen ?aufräumt'.

 

Was aber ist Boogaloo? Diese Frage wurde mir in letzter Zeit desöfteren gestellt. Darum möchte in diesem Artikel etwas über die Geschichte und das Wesen dieser Musikart erzählen.

 

Im Gegensatz zur Salsa kann man sehr genau lokalisieren, wo und wann der Boogaloo entstand - und wann er wieder verschwand. Der Boogaloo wurde in New York Mitte der 60er Jahre (des vergangenen Jahrhunderts) geboren. Wieso er entstand, das erläutert wohl am besten die folgende kleine Anekdote:

 

"Sonny, lass es uns probieren! Wenn's nicht klappt, spendiere ich Dir einen Doppelten!". Sonny - das war niemand anderes als die Legende Joe Cuba und derjenige, der ihm an einem Montag des Jahres 1966 im Palm Gardens Ballroom ( New York ) den Vorschlag machte, einen neuen Song zu spielen, war Jimmy Sabater ( heute noch mit Son Boricua erfolgreich ). Es war eine der sogenannten Black Nights, die viele Latino-Clubs veranstalteten. Diese Black Nights wurden vorwiegend von AfroAmerikanern besucht, die ja auch in Harlem zu Hause waren. Da die schwarzen ?Nicht-Latinos' nicht den Cha Cha Cha und Mambo im Blut hatten, spielten die engagierten Latino-Bands meist zwar vor vollem Haus aber leerer Tanzfläche. So auch an diesem Abend. Das Joe-Cuba-Sextet hatte den ersten Set beendet und niemand absolut niemand tanzte nach den Mambos, Cha Cha Cha's und Guaguancos ihrer neuen Platte.

 

Das änderte sich auch im 2. Set nicht. Also probierten sie den neuen Song, der Jimmy Sabater im Kopf herumschwirrte. Da es noch kein festes Arrangement und keinen festen Text gab, wurde improvisiert. Ein Tune auf dem Klavier ( in etwa ?Bi bi bah, bi bi bah' ) und plötzlich bewegte sich das Publikum. Einige stimmten ein improvisierten Chorus an ?She-free she free' und begannen zu klatschen. Heraus kam der Song Bang, Bang, der dann innerhalb einer Woche auch im Studio aufgenommen wurde. Bang, Bang wurde einer der wenigen Latino-Hits, die sich fast 10 Wochen in den Bilboard-Verkaufs-Charts der USA halten konnte.

 

Diese Story zeigt, die soziale Herkunft dieser Musik auf. Über Jahre hinweg waren Puertoricaner und andere Latino-Einwanderer nicht nur unmittelbare Nachbarn der ebenfalls damals gesellschaftlich ausgegrenzten AfroAmerikaner im Manhattener Stadteil Harlem. Sie arbeiteten zusammen und sie feierten auch zusammen Parties in den Clubs von Harlem. Natürlich beeinflussten sich so auch die Musikstile. Die angesagte ?schwarze' Musik der 60er war damals der Soul. Und genau hier liegt eine der Wurzeln des Boogaloo. Die Soul-Hits jener Zeit wie Mustang Sally oder In The Midnight Hour beeinflussten viele Boogaloo - Musiker. Salsa - wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht. Sie war erst im Entstehen. Und eine andere grosse Latino-Ära ging in dieser Zeit gerade zu Ende. 1966 war das Jahr, in welchem der berühmte Palladium Ballroom geschlossen wurde. Hier waren der Mambo und der Cha Cha Cha zu Hause. Mit der Schliessung des Palladiums endete die Mambo-Ära.

 

Der Boogaloo stellte somit auch einen Übergang, eine Brücke von der Mambo-Ära zur Salsa dar. Und just jener Palm Gardens Ballroom, in dem mit Bang Bang einer der grössten Boogaloo - Hits entstand, spielte später unter dem Namen Cheetah Club eine herausragende Rolle bei der Geburt der Salsa. Hier wurde der Film Nuestra Cosa während einer Live-Performance der Fania-All Stars gedreht. Übrigens wurde das ?Cheetah' damals geleitet von Ralph Mercado, der uns dann später mit seinem Plattenlabel RMM viele Salsa-Romanticas ?bescherte'.

 

Natürlich war Bang, Bang nicht der allererste Boogaloo (wenn auch einer der Erfolgreichsten). Es gab vor diesem Song schon Anfang der 60er erste Vorboten des Boogaloo, der berühmteste Hit aus dieser Vor-Boogaloo - Zeit ist sicherlich Ray Barretto's El Watussi. Eigentlich war El Watussi nur die B-Seite der Single Charanga Moderna - gedacht als Ulk. Gesungen in hartem kubanischen Strassenakzent. Aber diese B-Seite war es, die damals auch die Nicht-Latino-Charts stürmte, und zeigte, dass es möglich ist, mit Latino-Musik ein grosses Publikum zu erreichen. Kommerzielle Erfolge wie Barretto's El Watussi oder auch Mongo Santamarias jazziger Watermelon Man bereiteten die Bühne für die kommenden Boogaloo Hits.

 

Kennzeichnend für den Boogaloo waren meist englische oder englisch-spanische gemischte Texte ( I like it like that oder At the party ). Der Inhalt der Texte machte oft wenig Sinn - meist waren es nur zusammenhanglose Sätze. Die Musik hatte einen ausgesprochenen Party-Charakter - man hört oft Klatschen und anderen 'Party-Lärm', wie Schreie usw. Das den Bass begleitende Händeklatschen wurde zu einem Markenzeichen des Boogaloo. Meist wurde bei Boogaloo - Aufnahmen ein Mikro hoch über alle Musiker gehängt, um so dem Recording ein wenig Live-Charakter zu geben. Der Rhythmus enthielt Soul Elemente ebenso wie Latino-Rhythmen. Musikalisches 'Patchwork'. Der Musikwissenschaftler Juan Flores bezeichnete den Boogaloo auch einmal als ?Cha cha Cha with a back beat'. Das Tempo der Boogaloos war nie besonders hoch ( so um 90 BPM's ) herum.

 

Der grosse Tito Puente - damals gerade ?seines' Palladiums verlustig gegangen - meinte etwas säuerlich: "Diese Musik klingt wie ein Coca-Cola Radio-Werbesport". Und noch eine vernichtende Kritik von ihm: "These Kiddies are not on clave". Also für ihn keine ernsthafte Musik. Was ihn nicht davon abhielt, selbst Boogaloos zu produzieren ( u.a. Que Bueno Boogaloo mit La Lupe ). Soweit zum Thema Konsequenz :-)

 

Aber Puente hatte Recht - der Clave Rhythmus fehlte im Boogaloo vollständig. Die heutigen 'modernen' Boogaloos haben also mit den Originalen von damals nicht mehr viel zu tun. Meist sind sie mit rein spanischen Texten versehen und immer 'On Clave', damit auch Salsa-Tänzer danach tanzen können. Nach einem Original-Boogaloo aus jener Zeit Salsa zu tanzen, dürfte sehr schwer fallen. Die Soul-Wurzeln fehlen weitestgehend in den modernen Boogaloo-Arrangements.

 

Auch der eigentlich abwertende Puente - Ausdruck 'Kiddies' enthielt viel Wahrheit. Viele junge unerfahrene Musiker erschienen auf der Bildfläche. Von Benny Bonilla - Timbalero bei Pete Rodriguez - stammt der Ausspruch: "We didn't have the best band. We had no training or anything. We were out there, to have fun!"

 

Und diese jungen Musiker wurden von den Promotern und Club-Besitzern kräftig ausgenutzt. Meist mussten sie für einen Hungerlohn in einer Nacht in mehreren Clubs hintereinander spielen. King Nando - einer dieser Musiker - beschrieb das treffend so: "We were the hottest bands and we drew the crowds. But we were never given top billings or top dollar".

 

Boogaloo - Stars wie Pete Rodriguez ( I like it like that oder auch das Original von Micaela ) verschwanden später ganz schnell wieder von der Bildfläche. Natürlich gab es auch ein paar, die diese Zeit künstlerisch überlebten. Joe Cuba z.B. war schon ein Star, bevor er anfing Boogaloos wie Bang, Bang oder den heute oft gecoverten El Pito zu spielen.

 

Auch etablierte Musiker sprangen damals auf den Boogaloo-Zug auf und produzierten Hits, wie z.B. Eddie Palmieri ( ?The African Twist' oder ?Ay Que Rico' ), Willie Colon ( Skinny Papa ) oder Willie Rosario ( ?Watussi Boogaloo' ).

 

Boogaloo als neuen musikalischen Trend gab es nicht lange. So etwa um 1969 war schon wieder alles vorbei - jetzt hiess das grosse Modewort SALSA. Zum einen die aufkommende übermächtige Fania-Record-Company, als auch die ?alten' Mambo Stars, wie Puente, hatten kein Interesse an dieser einfachen Art von Musik. Zunächst noch unabhängig voneinander suchten beide Interessengruppen nach eigenen Auftritts- und Vermarktungsmöglichkeiten und verdrängten so die Boogaloo - 'Kiddies'.

 

Was bleibt, sind trotz oder gerade wegen ihrer Einfachheit, originelle, kreative Latino-Hits, die ein Abbild ihrer Zeit darstellen und die im Gedächtnis vieler Menschen haften bleiben. Man möchte der heutigen Musikindustrie einen Hauch jener Kreativität, Originalität und Experimentierfreude von damals wünschen.

 

DJ Michael Peters für SalsaDE