14.05.99: Omara Portuondo & Los Muñequitos de Matanzas

Freitag, 14. Mai 99 in der Klangstation

Son Cubano/Salsa in Darmstadt

 

Die Edith Piaf der Karibik 

 

„Palabras, aléjate de mí con tus palabras.“ Worte, so singt Omara Portuondo auf ihrem gleichnamigen Album „Palabras“, können Barrieren aufbauen, sie können Menschen voneinander trennen. Bei ihrem Gesang jedoch, den wohligen Klängen ihrer dunklen und klaren Stimme, kommt es vor allem auf das „Filin“ (in Anlehnung an das englische „feeling“) an, denn das Verstehen der kubanischen Musik beruht auf dem Herzen und dem Gefühl. Und Gefühl steht bei der Grande Dame des Cuban Jazz an erster Stelle.

 

Omara Portuondo gehört zu den populärsten Sängerinnen Kubas und ist seit bald 50 Jahren Teil der kubanischen Musikgeschichte. Die Lieder ihres aktuellen Albums „Palabras“ klingen durch sechs Jahrzehnte kubanischer Musik: von der vieja trova der 20er und 30er Jahre über Tanzmusik der 40er Jahre bis hin zu ihrem ureigensten Metier, dem filin, die auf der traditionellen trova Kubas basierende und durch den Jazz Nordamerikas beeinflußte Stilrichtung, geprägt vor allem durch Frank Sinatra oder Glen Miller, und letztlich die nueva trova der 60er und 70er Jahre. Akustikgitarre, Akkordeon, seichte Pianotöne und „de vez en cuando“ die Trompete erzählen von Liebe, Sehnsucht, verlorenen Träumen, Verliebtheit und lebendigem Glück. Omara Portuondo zuzuhören ist Balsam für Seele und Ohren, und es ist leicht zu verstehen, daß sie auch die „Edith Piaf der Karibik“ genannt wird. (mm)

 

Religiöse Rituale und Rumba-Rhythmen

Interview mit dem Tänzer Diosdado Ramos, künstlerischer Leiter der Munequitos de Matanzas sowie mit Ricardo Cané, dem Gesangsdirektor. 

Das Interview führte Federico Marulanda von „On Air“, anläßlich der ausverkauften Auftritte der Gruppe in New York im April 1998. (frei übersetzt und gekürzt von Meike Müller)

 

Federico Marulanda: Sie schaffen es mit Ihrer Musik immer wieder, Felsen zum Tanzen zu bringen.

Diosdado Ramos: Ja, das könnte stimmen.

 

 FM: Die kubanische Musiktradition ist hier in New York sehr lebendig.

 Ich hoffe, Sie können das bei Ihrer Auftritten spüren. (...) Erzählen Sie uns von den Instrumenten der Munequitos.

 DR: Ganz einfach: vier tumbadoras (congas), eine guagua catá und eine chekeré (Afrikanische Perkussioninstrumente), drei batà-Trommeln und eine Bass-Trommel, das ist alles.

 FM: Wie viele Sänger?

 DR: Wir haben fünf Sänger, vier Perkussionisten und fünf Tänzer.

 FM: Wie sieht die Show für die US-Tour aus?

 DR: Was wir gemacht haben, ist der Versuch, unser tägliches Leben nachzuempfinden, das zu tun, was wir machen, wenn wir zu einer batà, einer Party oder zu einem Freund gehen...Es ist etwas ganz Authentisches. Niemand macht für uns eine Choreographie, wir stellen alles selbst zusammen. Im ersten Teil der Show kommen wir von der Hinterbühne nach vorne, wie bei einem cabildo, einem religiösen Ritual.  Dann kommt Eleguà, eine Gottheit, verkörpert durch ein Kind, meinem Enkel. Dann tanzen wir den Arará, Kongo, Iyesá und Abakuá (rituelle Tänze und Rhythmen). Der zweite Teil besteht aus dem Rumba-Zyklus.  Hier zeigen wir, was die Leute in Matanzas (Hafen im Nordwesten von Kuba) zum Jahresbeginn machen: zwei Bands erscheinen, die blaue und die rote. Sie stehen sich gegenüber und singen gegeneinander.  Doch dann finden sie sich zu einem Fest zusammen, das nicht mehr als zwei Tage danach stattfinden darf. Danach spielen wir den yambú, guaguancó und kolumbianische Rhythmen. Wir beenden die Show mit dem comparsa, einem populären Volkstanz in Matanzas.

 FM: Wie stark ist der religiöse Einfluß auf Ihre Musik?

 DR: Unsere Folklore ist Spanisch-Afrikanisch. Sie hat mit der Spanischen Kolonialisierung Kubas und der Ankunft von Sklaven aus dem Kongo und Nigeria begonnen. Durch die Verschmelzung dieser Kulturen ist auf Kuba der Rumba entstanden. Aber unsere Religion bewahren wir genauso, wie wir sie von unseren afrikanischen Vorfahren gelehrt wurden...es kann sogar sein, daß die Religion in Kuba heute besser intakt ist als in Afrika selbst...Kuba ist unberührter.

 FM: Und die Religion ist in Ihr Konzert eingebunden?

 DR: Selbstverständlich. Religion ist facettenreich. Aus unserer Folklore kann noch einiges wachsen und entstehen, die Quelle ist unendlich. Aus jedem Orisha kann man tausend pataquis kreieren (jede der zehn Gottheiten wird durch eine bestimmte Rhythmusstruktur dargestellt, aus der unzählige Variationen entstehen können).

FM: Was halten Sie von neuen kubanischen Rhythmen wie dem Songo?

 DR: Ich denke, diese Rhythmen sind gut. Die Bands, die Songo spielen, sind von ihren Leuten, in den USA und in der ganzen Welt akzeptiert.  Das ist gut so: Künstler müssen gerade dann weitermachen, wenn sie Erfolg spüren. Ich denke da an Juan Formell und Los Van Van, NG la Banda, Isaac Delgado. Neue Richtungen entstehen, und nur wenn die Leute sie mögen, bleiben sie erhalten. Wenn dies nicht so wäre, würde es heute den cha-cha-cha zum Beispiel nicht geben. Das Publikum ist der wichtigste Beurteiler der Musik. Wenn das, was Du spielst, nicht akzeptiert wird, dann funktioniert es auch nicht. 

FM: Wo sind die Munequitos de Matanzas bei den Gruppen anzusiedeln, die Sie eben genannt haben. 

 RC: Die Munequitos kann man nicht mit einer Danceband vergleichen.  Wir machen Konzerte zum Zuhören und Zuschauen. Manchmal ist das Publikum aufgefordert, am Ende einer Show zu tanzen, aber auch das ist dann was anderes. Wir spielen unseren Rumba seit 1951, und wir besitzen unsere individuelle Nische in der Musikszene Kubas.

 FM: Können Sie mehr über die Geschichte der Munequitos erzählen?

 RC: Ursprünglich waren die Bandmitglieder keine professionellen Musiker, sondern Hafenarbeiter, die sangen und trommelten. Eines Tages gaben sie ein Konzert im Haus eines Freundes und erlangten dadurch mehr und mehr Popularität. Im Oktober 1951 formierte sich die Gruppe Guaguancó Matancero. Als 1953 das erste Album erschien und dessen Song „Los Munequitos“ (Charakter eines bekannten Zeitungscomics) so gut ankam, fingen alle an, uns so zu nennen.

 FM: Ricardo, wann kamen Sie zur Band dazu?

 RC: 1972.

 FM: Und wie sieht Ihre musikalische Entwicklung bis heute aus?

 RC: Es hat sich tatsächlich viel getan. In 26 Jahren sammelt man eine Menge Erfahrung, Musikalität. Alle lieben den Rumba, doch es ist nicht leicht, ihn zu spielen, zu singen oder zu ihm zu tanzen. Ursprünglich war ich kein „rumbero“, aber durch die Munequitos bin ich zu einem geworden.

 FM: Eine Frage zur rhythmischen Struktur Ihrer Musik: Können Sie den Unterschied zwischen einem guaguancó und einem Rumba beschreiben?

RC: Nein, denn das ist eine falsche Unterscheidung. Der Rumba ist der musikalische Überbegriff mit drei Varianten: yambú, columbia und guaguancó. Der yambú ist ein langsamer Tanz, bei dem die Frau die führende Rolle spielt. Der guaguancó ist schneller, und hier gewinnt der Mann an Bedeutung, denn bei diesem Tanz vollführt er den „vacunao“, einem bildlichen Versuch, die Frau zu schwängern. Sie wehrt die Gesten ab, die der Mann mit Händen, Beinen oder Becken andeutet.  Tut sie dies nicht, verliert sie das Spiel. Der columbia ist noch schneller und gefährlich, denn er wird mit Messern, Macheten, Wassergläsern auf den Köpfen und brennenden Kerzen getanzt. Frauen nehmen an diesem Tanz nicht Teil, außer Andrea Barón, eine Frau aus Matanzas, die schon vor 60 Jahren den columbia getanzt hat.

 FM: Ist der „clave“ (der der Musik untergelegte Taktschlag) bei allen drei Varianten derselbe?

 RC: Nein (Er demonstriert die Unterschiede durch Klatschen). Clave, Singen und Tanzweise sind jeweils unterschiedlich.

 FM: Sie sagten, daß bei den Konzerten alle drei Rumba- Varianten vorkommen?

 RC: Genau. Auch wenn wir uns den traditionellen Yoruba-Rhythmen verschrieben haben, so ist unsere Hauptabsicht, den Rumba zu spielen.  Das haben wir von Beginn an getan, und diese Tradition wollen wir auch bewahren. Dennoch haben die verschiedenen Generationen der Munequitos immer versucht, an ihrem musikalischen Erbe festzuhalten.

 FM: Wie sehen Sie die jungen Generationen in Matanzas bezüglich

 Ihrer Musiktraditionen? Ist da Interesse zu erkennen, das Vermächtnis zu wahren?

 RC: Ja. Matanzas ist klein. Es gibt nur wenige Bands, aber diese wenigen besitzen den starken Wunsch, die traditionelle Musik zu erhalten, ebenso wie sie die neuen kubanischen Rhythmen spielen. Der Wille, die Musik zu erhalten, existiert.

 FM: Ich glaube, keiner von uns befürchtet, die kubanische Musik könnte

 jemals verhallen.

 RC: Das stimmt. Aber wir müssen aufpassen, nicht in die alte Polemik zu verfallen, ob denn der Salsa aus Kuba komme. Denn das ist der strittige Punkt. Wenn man als Musiker diese Frage analysiert, kommt man zu dem Schluß, daß diese Musik aus Kuba stammt. Ich haben keine Ahnung, wer die Bezeichnung Salsa eingeführt hat, aber das ist nur ein Name. Wenn man Beny Moré, Abelardo Barroso oder das Orquesta Aragón hört und dann modernen Salsa, dann muß man den Schluß ziehen, daß es sich dabei um das gleiche handelt.

 FM: Was denken Sie, was Salsa in New York in den Siebzigern bewirkt hat?

 RC: Er war sehr sehr gut!